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Seit etlichen Jahren habe ich traditionelle und zeitgenössische Musik aus Korea für mich entdeckt. Dies war eher zufällig, aber einige in Berlin lebende und arbeitende Komponistinnen und Komponisten aus Korea, deren Musik mir sehr gut gefällt, trugen dazu bei, dass das Interesse blieb. Ich musste jedoch feststellen, dass die meisten von ihnen nicht mit traditioneller koreanischer Musik aufgewachsen sind, sondern mit europäischer Klassik. Die Beschäftigung mit koreanischer Volks- und Kunstmusik war eine Folge des Musikstudiums. Die Kenntnisse der Musik Koreas sind also überwiegend erlernt und nicht erlebt. Dies macht sich auch in der Art des Komponierens bemerkbar - ich empfand ihre Werke trotz einiger Bezüge zu Korea fast ausschließlich von europäischer Tradition geprägt. Dies gilt auch für die (Berliner) Künstler, die ich besonders schätze: nicht ganz so sehr bei dem “Klassiker” Isang Yun (1917-1995), aber umso deutlicher bei dem Komponisten Il-Ryun Chung (geb. in Frankfurt) und den Komponistinnen Soo-Jung Shin und Eun-Hwa Cho (die beide für ihr Studium nach Europa kamen und im europäischen Kontext arbeiten.) Die Werke der letzten drei, die mich besonders ansprechen, erreichen mich aber in meiner mitteleuropäischen Tradition - sie sind zwar von Menschen aus Korea geschrieben, aber es ist keine koreanische Musik. 2003 hörte ich zum ersten mal ein Werk der Komponistin Jin-Ah Ahn, sie lebt in Berlin und schreibt auch mit euröpäischen Mitteln und Grundlagen. Dabei und bei allen Kompositionen, die ich später hörte, habe ich festgestellt, dass in allem europäischem doch immer wieder typische koreanische Strukturen durchscheinen. Dies macht sich besonders bei der Behandlung der Pausen bemerkbar. Im Nachhinein bemerke ich dies auch bei den drei vorgenannten, Il-Ryun Chung komponiert auch für traditionelle Instrumente und spielt selbst Changgu und ist Mitglied im Ensemble IIIZ+.
Leider ist Koreanische Musik, die man authentisch nennen könnte, in Europa und besonders in Deutschland fast völlig unbekannt, obwohl sie sehr interessant ist und weniger fremd klingt, als man vielleicht vermuten würde.
Die alte höfische Musik ist vom Aussterben bedroht, obwohl oder vielleicht auch, weil sie zum nationalen Erbe erklärt wurde. Korea macht einen Prozess durch, den Deutschland und viele europäische Länder schon durchgemacht haben - amerikanische Pop-Musik und europäische Romantik dominieren das Musikleben, direkt oder adaptiert. Die eigene alte traditionelle Kunstmusik wird zum musealen Kuriosum. (So wie man bei uns mittelalterliche Musik verkitscht und für Ritterspiele und esoterisches verhackstückt.)
Bei der neuen Musik in Korea wird die Tradition im allgemeinen sehr zwiespältig angesehen. Spuren der Tradition sind wie ein genetisches Merkmal, weniger als bewußtes Ingredienz, vorhanden. Einige, wie Yunseck Lee weigern sich strickt, Anklänge an die Tradition zuzulassen. ...-... Trotzdem gibt es ein paar Werke, die diese Mischung fordern und es sind diese Ausnahmen, die die Regel bestätigen (Zitat: Matthias R. Entreß)
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